Werders Stadtväter müssen Farbe bekennen

Dunkles Haus in der Inselstadt sorgt für Diskussion/Bauausschuss und Sanierungsbeirat sollen entscheiden

Über schwarze Barockfassaden an den Grachten von Amsterdam regt sich in der holländischen Metropole kaum noch jemand auf. Ein schwarzes Haus in der Inselstadt von Werder dagegen (Foto rechts) erhitzt gegenwärtig schon die Gemüter in der Havelstadt.
„20 Jahre hab’ ich auf ´ne Ruine geguckt, die nächsten 20 hab’ ich ein Leichenhaus vor Augen!“ sagt der Nachbar.
Lebhaft diskutiert wird derzeit in Werders Inselstadt über ein Haus in der Mühlenstraße. Die baubetreuende Architektin und Miteigentümerin hat es nach Abschluss umfangreicher Sanierungsarbeiten anthrazitfarben streichen lassen. Als Gerüst und Bauplanen fielen, war die Aufregung groß bei den Anwohnern und in den Amtsstuben. Ist doch die Insel seit dem Jahr 1992 städtebauliches Sanierungsgebiet.
Damit sind alle baugestalterischen Vorhaben genehmigungspflichtig und durch eine spezielle Satzung geregelt. Für den Anstrich schreibt sie „helle Farben aus dem Spektrum der Erdfarben“ vor.
„Auch Kohle ist erdfarben“, wird inzwischen vor dem Haus gewitzelt. Tatsächliche gibt es kein Farbkonzept für die einzelnen Straßen des Sanierungsgebietes, in dem die Fassung der Einzelhäuser aufeinander abgestimmt ist. „Lediglich für die Lindenstraße wurde 1992 ein solcher Entwurf gefertigt und mit Abweichungen auch umgesetzt.
Wer Hat Recht, fragen nun die Bürger, die sich treu und brav an die Buchstaben der Gestaltungssatzung halten. Die Inselstadt ist als Denkmalbereich ausgewiesen. Um dem bei der Farbgestaltung Rechnung zu tragen, muss man sich fragen, ob und wie die Häuserfassaden früher behandelt wurden. Für die ursprünglich durchgängig vorhandene Fachwerkarchitektur, jetzt nahezu verschwunden, waren ein dunkelfarbiger Firnisanstrich der Holzteile und die Farbe des Lehms der Gefache typisch.
Mit dem Aufkommen der ersten Ziegelbauten etwa ab 1770/80 erhalten die neuen Häuser eine Haut aus Putzmörtel, die entweder unbehandelt steingrau blieb, oder je nach Wohlstand und Anspruch des Eigentümers mit Kalkschlämme, auch ocker getönt, durchgängig, ohne Absetzen von Simsen oder Fensterlaibung, überstrichen wurde.
Die Sockelzonen hat man vornehmlich in den tiefer gelegenen Straßen zum Schutz geben die regelmäßigen Frühjahrshochwasser geteert. Dafür gibt es sogar noch Beispiele. Mit dem Aufkommen eines gewissen Wohlstandes in der Stadt als „Obstkammer Berlins“ werden etwas ab 1860 reicher stuckierte Fassaden errichtet, die auch eine lebhaftere Farbigkeit aufweisen. Dazu werden bevorzugt Sichtziegel verwendet.
Rote und gelbe Klinkerwände kontrastieren wirkungsvoll mit dem Steingrau der Stuckelemente und dem Anthrazit der neu in Mode gekommenen Schieferdächer. So hat jede Zeit mit ihrer Spezifik das gegenwärtige farbige Erscheinungsbild geprägt.
Woran orientiert sich nun die Gestaltungssatzung? Bei den etwas 20 Einzeldenkmalen am historischen Befund, soweit er noch feststellbar ist. Alle von der Satzung vorgegebenen Farben sind im Grunde Kompromisse, damit nicht irgendeine „Schickfarbe“ das einheitliche Gesamtbild störe.
Dieses Harmoniebedürfnis hat allerdings verstärkt zu einem monochromen und damit monotonen Nebeneinander von Cremetönen geführt. Auf den Einsatz von Komplementärfarben zur Steigerung der Wirkung sanierter Straßenräume wird zu oft verzichtet.
Wie früher so ist auch jetzt die Farbwahl Modeströmungen unterworfen. Nicht unerheblich waren und sind die Einflüsse der Bauhausarchitektur der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts. Seither ist Farbgestaltung zum Studienfach erhoben worden.
Die unbekümmerte Farbauswahl des Architekten Bruno Taut in Magdeburg schockierte seinerzeit die Bürger wie heute das „schwarze Haus“ auf Werders Insel.
Die Satzung lässt ausdrücklich Ausnahmen zu. Darauf beruft sich die Architektin.
Sie sei durch die dunkelfarbene Mühle als Schlusspunkt einer Sichtachse der gleichnamigen Straße zu einem entsprechenden Anstrich ihres Hauses inspiriert worden und will das mit einer Rhythmisierung der Blickführung erreichen. Das dunkle Haus wirkt jetzt sogar kleiner und würde die Farbwirkung der umgebenden Gebäude noch verstärken. Ihr Bauantrag sei im Übrigen genehmigt.
Bauausschuss und Sanierungsbeirat der Stadt werden nun darüber zu befinden haben, ob für die Mühlenstraße 2 eine solche Ausnahme gegeben ist.


 
Presse

Balthasar Otto
Märkische Allgemeine
Dienstag, 14. 05. 2002

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